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Am 01. und 02. Juli 2016 war ich Teilnehmer des “EduAction“, dem Bildungsgipfel Rhein-Neckar. Nachdem ich einige Wochen zuvor bei der Global Goals Konferenz an der wunderbaren Evangelischen Schule Berlin Zentrum sein durfte lag es nahe, hier den Anschluss zu suchen, zumal einige Referenten auch in Mannheim waren. Um es vorweg zu nehmen, es war in weiten Teilen eine Enttäuschung.

Beschäftigt man sich mit gesellschaftlichem Wandel ist es völlig klar – und von nahezu allen Wissenschaftlern gefordert -, das wir Bildung komplett reformieren müssen. Nicht nur die Inhalte, sondern auch das System und das grundsätzliche Verständnis davon. Mit dieser Haltung und beflügelt durch die Impulse aus Berlin war ich zu Besuch in Mannheim und durfte erleben, wie zwei komplett verschiedene Welten aufeinanderprallten. Auf der einen Seite die Unternehmen, die Lobbyismus für mehr digitale Bildung betrieben – auf der anderen Seite Soziologen und Pädagogen mit Blick auf den Menschen und die Gesellschaft.

Bevor ich ins Detail gehe, es gab auch hier tolle Momente. Speziell Gesine Schwan, Margret Rasfeld und Gerald Hüther haben es geschafft, die gesellschaftliche Relevanz von Bildung zu unterstreichen, einen Paradigmenwechsel zu fordern und nicht nur darüber zu sprechen, das man jetzt jede Schule mit WLAN ausstatten muss und Mathematik am besten mit einem Laptop unterrichtet. Es war heilsam zu hören, das auch diese drei Speaker den deutlich lautesten Applaus erhielten – ich war offensichtlich mit meinem Eindruck nicht ganz alleine.

Der Rest war ernüchternd. Viele Speaker und Teilnehmer der Panels wollten vorwiegend sich selbst und Ihren Unternehmen eine Bühne geben. Ja, wir wissen wie toll das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam ist und ja, wir haben Fachkräftemangel und ja, wer Bücher schreibt ist ein toller Hecht. Mmmhhh, habe ich also 500 Euro Eintritt gezahlt, um mir Werbeveranstaltungen anzusehen? Von Partizipation war weit und breit nichts zu sehen – im übrigen auch keine Schüler.

Mein Hauptkritikpunkt aber ist die unreflektierte Thematisierung der Digitalisierung und deren Impact auf Bildung. Natürlich ist die Digitalisierung etwas, was die Gesellschaft gerade verändert und verändern wird. Und natürlich ist Wissen überall verfügbar. Aber wollen wir wirklich iPads für alle Kinder an Grundschulen, WLAN in jedem Klassenzimmer und Schüler vor allem zu Programmierern ausbilden? Einige der Referenten und hier v.a. die Politik scheinen zu glauben, das man durch die Digitalisierung von Schulen die grundlegenden Probleme des Bildungssystems lösen kann. Ich halte das für eine gefährliche Verklärung, die über die eigentlichen Probleme hinwegtäuscht. Wir brauchen ein Bildungssystem ohne Leistungsdruck und Bewertungssystem, ohne Frontalunterricht und pauschale Lehrpläne. Wo Kinder und Jugendliche als Menschen mit ihren individuellen Fähigkeiten gesehen uns respektiert werden, Anerkennung erfahren und zu mutigen jungen Menschen mit Haltung werden dürfen. Mit oder ohne WLAN. Als Tierarzt oder IT-Spezialist.

Für mich bleibt die Erkenntnis, das Veranstaltungen in diesem traditionell-konservativem Rahmen keine neuen Impulse setzen, sondern eher Teil des Problems sind. Reines Top-Down-Denken aus Sicht der Unternehmen und Politik. Für mehr braven und programmierenden Nachwuchs bei SAP und bessere Pisa-Bewertungen. Schade!